Rundgang

Rundgang

Die Geduld heute – ein Rundgang

Würde Gründer Oskar Reinhart heute in seinen ehemaligen Club eintreten, er würde sich zweifellos noch immer gut zurecht finden. Die Räume sind wenig verändert, insbesondere diejenigen, die er von Künstlern gestalten liess. Das Ticken der kostbaren Standuhren und Pendulen würde er in den ruhigen Räumen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Einzig einige Gemälde und Arbeiten auf Papier würde er nicht auf Anhieb wiederfinden, weil sie aus konservatorischen Gründen einen neuen Platz erhalten haben, um sie vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Wundern würde er sich über Flipcharts, Leinwände. Beamer und Laptops, die heute im Vortragssaal zu finden sind und über die Abwesenheit einiger bedeutender Originale. Die im Damensalon entdeckten und fachgerecht restaurierten Grisaille-Landschaftsidyllen hätten ihn erstaunt, und er wäre sicher damit einverstanden gewesen, dass die früher hier in den Täferfüllungen platzierten Aquarelle von Thomas Rowlandson nun im Vorraum des Restaurants hängen.

«Etwas ganz Einzigartiges für die Stadt»

Bei einem Rundgang durch die Liegenschaft hätte man ihn ab und zu murmeln hören, es sei alles etwas verblichen und man müsste mal renovieren. Sicher hätte ihn die Kücheneinrichtung interessiert – denn diese war für ihn immer äusserst wichtig. Seine Anerkennung hätte aber sicher die zwischen Vorder- und Hinterhaus über dem Zwischentrakt geschaffene Terrasse gefunden, die an heissen Sommertagen das Dinieren im Freien ermöglicht. Und wenn er dann sogar die steile Hühnertreppe zum Firsttürmchen hochgeklettert wäre, hätte er verwirklicht vorgefunden, was er sich selbst im März 1919 vorgenommen, jedoch aus Spargründen unterlassen hatte: «Ausblick von der obersten Dachluke aus entdeckt! Soll ausgebaut werden.» Das Glas Champagner, das man ihm im Adlerhorst offeriert hätte, wäre die Bestätigung seiner Absicht, «etwas ganz Einzigartiges für die Stadt» geschaffen zu haben. Und die Frage, wie er am Ende des Rundgangs in der Bar auf die smarte Anwältin mit Laptop und Mojito ohne männliche Begleitung reagiert hätte, ist rhetorischer Natur.

Diesen Rundgang durch die «Geduld» im Jahr ihres hundertsten Bestehens aus der Perspektive ihres Gründers hat der Architekturfotograf Thomas Telley im Jubiläumsbuch «Hundert Jahre Club zur Geduld» festgehalten. 

Nachfolgend eine Auswahl seiner Fotos.

Durch die massive Eichentür betritt man die dreischiffige Eingangshalle, die die ganze Breite und im Mittelteil auch die vollständige Tiefe des Vorderhauses einnimmt. Tageslicht erhält der festliche Empfangsraum durch die Rundbogenfenster neben dem Eingang sowie durch das zentrale Portal zum Hof. Die Gewölbe liegen auf den hellen kannelierten Pfeilern auf, die aus demselben hellen Kalkstein gefertigt sind wie die Bodenplatten. Am Ende des rechten Seitenschiffs befindet sich das Treppenhaus. Das linke endet in einer getäferten Nische mit einem grazilen Empire-Schreibtisch, an dem prominente Gäste ihren Besuch in ein Buch eintragen. Das zweite dominante Möbelstück ist ein gewaltiger frühbarocker Fassadenschrank, neben dem das dekorative Dreiviertelporträt einer jungen Adligen aus dem Umkreis von Diego Velasquez hängt. Ein Bauerschränkchen aus dem 18. Jahrhundert passt sich sodann in die enge Nische neben der Treppe ein.

Bibliothek

In der Bibliothek befinden sich zurzeit keine Bücher mehr. Das stimmungsvolle Zimmer dient heute als Sitzungsraum. An der Fensterfront zum Hof hängt ein kleines, aber bedeutendes Gemälde, das ebenfalls zu den Perlen der Kunst im Club gehört. Reinhart kaufte das Bild Internierte von 1918 am 26. August 1919 im Atelier von Niklaus Stoecklin, den Oskar Reinharts Bruder Georg grosszügig förderte.

Bar

In der Bar herrscht mit bequemen Ledersessel-Gruppen gediegene Clubatmosphäre in Reinkultur, und es gibt an den Wänden dicht an dicht englische und französische Dekorationsgraphik in Serie. Umso mehr Gewicht erhält das einzige auf der Wand neben dem Eingang inszenierte Gemälde von Maurice Barraud (1889 -1954). Das Bild Verena ist ein Statement für die Malerei aus der Westschweiz, die damals wie auch heute in den Deutschschweizer Museen abgesehen von Félix Vallotton nur marginal vertreten war.

Festsaal

Im Festsaal sollten nicht nur Bälle stattfinden, sondern auch Lesungen und Konzerte. Entsprechend sind die Themen gewählt: Auf den grossen Bildern an den Hauptwänden stellte er ein musizierendes junges Paar dar sowie eine blumenstreuende Mutter mit ebenfalls musizierenden Kindern in einer Tempelarkade. Supraporten im Hauptsaal und Vorraum zeigen Stillleben, die mit Büchern und Instrumenten, Blumen und Masken auf die Anlässe des Saales anspielen. Die Wandleuchter, geschnitzte Stuhllehnen und auch die Samtvorhänge korrespondieren formal und koloristisch mit der gedämpften Farbpalette der Dekorationsmalerei zu einem harmonischen Gesamtkunstkunstwerk.

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